Page 243 - Karmen Pižorn, Alja Lipavic Oštir in Janja Žmavc, ur. • Obrazi več-/raznojezičnosti. Ljubljana: Pedagoški inštitut, 2022. Digitalna knjižnica, Dissertationes 44
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mehrsprachigkeit – die einzige herausforderung in der flüchtlingsbeschulung?

nell ins Fettnäpfchen treten, indem man ein Thema anspricht, das in einer
konkreten Kultur oder Religion nicht thematisiert werden soll oder darf.
In diesem Zusammenhang spricht man über die sog. Tabus oder Tabuthe-
men, ggf. über Tabubrüche. Um einen Tabubruch in einer Berufsintegra-
tionsklasse zu verhindern, werden in diesem Artikel einige Tabuthemen
beschrieben. Was aber eigentlich das Wort Tabu genau bedeutet, ist nicht
so einfach zu definieren, wie man in den nächsten Absätzen sehen kann.

Der Begriff Tabu stammt aus dem polynesischen ta pu, was so viel wie
außerordentlich oder das kräftig Markierte bedeutet. Dieser Begriff kam
dann durch James Cook, der dieses Wort während seiner Expedition in
Tonga entdeckt hat, auch nach Europa. Er selbst hat diesen Ausdruck als
in general. signifes that a thing is forbidden verstanden (Cook in Hess-Lüt-
tich, 2017, S. 127).

Schröder vertritt den Tabubegriff von Zöllner, der Tabus in modernen
Gesellschaften als Teil des sozialen Kodex einer Gemeinschaft versteht, der
festschreibt, welche Handlungen und Verhaltensweisen nicht ausgeführt
werden sollen, über welche Themen nicht kommuniziert werden soll und
welche Wörter vermieden werden sollen (Zöllner in Schröder, 1998, S. 196).

Laut Reimann sind Tabus ähnlich wie bei Zöllner Teil des sozialen Ko-
dexes einer Gemeinschaft und legen fest, welche Handlungen und Verhal-
tensweisen nicht ausgeführt werden dürfen und worüber nicht gesprochen
werden darf. Es handelt sich um negative Konventionen, die Grenzen etab-
lieren und somit eine wichtige Funktion in der Sicherung der Herrschafts-
verhältnisse innehaben. Sie sind besonders wirksame Mittel sozialer Kont-
rolle (Riemann in Bouchara, 2010, S. 114).

Hägi-Mead macht deutlich, dass es sich bei Tabus um Meidungsgebo-
te handelt, um etwas, das man zwar tun könnte, vielleicht auch wollte, aber
nicht sollte. Deutlich wird zudem, dass Tabus etwas mit der Öffentlichkeit
zu tun haben. Tabus referieren auf Anstand und Benimmregel und markie-
ren, was sich gehört (Hägi-Mead, 2017, S. 213). Sie weist weiter darauf hin,
dass sich ein Tabu von einem festgeschriebenen Verbot unterscheide. Tabus
seien nicht in Gesetzen verankert, sie würden durch Erziehung und Sozia-
lisation tradiert und internalisiert (ebd.).

Den Unterschied zwischen Tabu und Verbot macht auch Schröder
deutlich. Seines Erachtens sind Tabus nicht manifest (wie Verbote), son-
dern sie gehören zu den Latenzzonen einer Gesellschaft: sie wirken von
innen heraus, ohne dass sie ins Bewusstsein der Handelnden vordringen.
Verbote können und müssen in der Regel – anders als Tabus – formuliert

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